"Report Mainz": Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für sexuellen Kindesmissbrauch fordert Gesetzesänderungen und ein Schulfach Medienkompetenz
Mainz (ots) - Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, fordert gesetzliche Nachbesserungen beim Kinder- und Jugendschutz im Internet. Das sagte er im Interview mit dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 22.5., 21:45 Uhr im Ersten). "Der Kinder- und Jugendschutz im Netz hinkt dem Internetzeitalter meilenweit hinterher. Es besteht ganz dringender Handlungsbedarf. Ich fordere von der Politik, dass sie die Internetanbieter viel stärker in die Pflicht nimmt als bisher. Sie müssen verpflichtet werden, maximalen Schutz für Kinder und Jugendliche zu garantieren."Außerdem dringt der Beauftragte für sexuellen Kindesmissbrauch auf die Etablierung eines Schulfachs Medienkompetenz. "Medienkompetenz ist ein wichtiger Aspekt für den Kinder- und Jugendschutz. Schule muss sich dieser Herausforderung stellen. Ich fordere, dass das Schulfach Medienkompetenz bundesweit eingeführt wird und zwar von der ersten bis zur zehnten Klasse. Wir lassen Kinder heute allein im Netz, sie bekommen keine gute pädagogische Begleitung", sagte Johannes-Wilhelm Rörig.
Das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" berichtet von zahlreichen sexuellen Missbrauchsfällen, bei denen die Täter den Kontakt zu den Kindern über beliebte Onlinedienste angebahnt haben. Experten gehen von einer Zunahme solcher Cybergrooming-Fälle aus und kritisieren, Onlinedienste wie die Videocommunity "musical.ly", der "Google Play Store" oder "Instagram" böten viele Einfallstore für Sexualstraftäter.
Der Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger von der Fachhochschule der Polizei Brandenburg sagte "Report Mainz": "Ich persönlich bin überzeugt, dass heute kein Kind aufwächst im digitalen Raum, das nicht mit einem Sexualtäter konfrontiert wird. Sexualstraftäter sind eines der Grundübel im gesamten Internet und sie gehen dort offen vor, für jeden teilweise sichtbar, wer sich auf den einschlägigen Plattformen für Kinder und Jugendliche bewegt. Das ist in einer Masse vorhanden, dass man es nicht mehr hinnehmen darf." Auch er übt massive Kritik am Jugendmedienschutz: "Der Jugendmedienschutz versagt in diesem Bereich. Er müsste zum Ziel bekommen zu sagen: Ich möchte Kinder effektiv vor Straftaten im Internet schützen. Das muss eine Zielbestimmung sein, um die Betreiber dazu zu verpflichten, Schutzmechanismen zu installieren."
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft dringt angesichts der zahlreichen sexuellen Belästigungen von Kindern und Jugendlichen im Netz darauf, dass in den Schulen mehr Medienkompetenz vermittelt werden müsse. "Da liegt noch ganz viel im Argen. Die Schulen müssten viel mehr tun, um die Kinder fit zu machen für die digitale Welt. Für die Vermittlung von Medienkompetenz fehlt Zeit und Geld", sagte Ilka Hoffmann, die für den Bereich Schule zuständig ist.
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums erklärte auf Nachfrage von "Report Mainz": "Der Anstieg von Cyber-Grooming und sexualisierter Gewalt ist sehr besorgniserregend. Man kann heute auch nicht mehr zwischen "on- und offline" trennen. Das derzeitige Recht ist noch auf dem Stand von Browsern und Konsolen und gibt Eltern und Kinder- und Jugendschützern nicht mehr das ausreichende Handwerkzeug in die Hand, den Risiken ausreichend zu begegnen und Kinder und Jugendliche ausreichend zu schützen. Das Bundesfamilienministerium möchte zukunftsfähige rechtliche Regeln schaffen, die auch durchgesetzt werden. Ministerin Giffey verfolgt das Ziel, in dieser Legislaturperiode den gesetzlichen Rahmen für einen modernen Kinder- und Jugendmedienschutz zu setzen."
Der Onlinedienst "Musical.ly" erklärte gegenüber "Report Mainz", die Sicherheit der Nutzer sei sehr wichtig: "Wir haben eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch getroffen. Wir suchen ständig nach Möglichkeiten, diese Maßnahmen zu verbessern und investieren viel." Google erklärte: "Über einen Filter können Nutzer festlegen, welche Arten von Apps heruntergeladen werden können. In jedem Fall kann eine PIN eingerichtet werden, um unbeabsichtigte / unerwünschte Downloads durch Kinder und Jugendliche zu verhindern." "Instagram" antwortete "Report Mainz" trotz Nachfrage nicht.
Zitate gegen Quellenangabe frei.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel. 06131 929 33351 oder -33352.
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